Stärke ist kein Zufall!

Schauen Sie Scheinriesen keck in die Augen

Jim Knopf, der kleine schwarze Junge aus Lummerland, der mit seinem Freund Lukas, dem Lokomotivführer, viele spannende Abenteuer erlebt, gehört zu den Lieblingsfilmen meiner Kindheit.

Vor allem die Szene mit Herrn Tur Tur, dem Riesen. Alle laufen vor ihm weg. Nur Jim Knopf nicht. Denn Jim macht eine wichtige Erfahrung: Herr Turtur ist gar kein echter Riese. Er ist nur ein Schein-Riese. Aus der Ferne sieht er riesengroß aus, aber je näher man ihm kommt, desto kleiner wird er. Und als er Jim Knopf Auge in Auge gegenübersteht, ist er nicht viel größer als Jim.

Scheinriesen begegnen uns jeden Tag

1960, als das Kinderbuch von Michael Ende erschien, war der Scheinriese noch ein einzigartiges Phänomen. Doch heute wäre Herr Tur Tur nicht allein. Täglich begegnen mir Menschen – leider häufig Führungskräfte – die gerne die Rolle eines Scheinriesen einnehmen. Besonders wenn Sie in der Lage sind, Macht auszuüben, plustern Sie sich auf wie ein Michelin-Männchen und Herr Tur Tur hätte noch reichlich Schatten hinter ihnen.

Die Möglichkeit, ein eigenes Bild von sich zu gestalten, ist ziemlich verlockend. Ich habe überhaupt nichts gegen Scheinriesen. Hin und wieder bin ich selbst einer. Sie auch? Mein Vater hätte dazu gesagt: „Große Klappe- nix dahinter“. Was sagen Fachleute dazu? „Wenn die Kluft zwischen Selbstbild und Wirklichkeit zu groß ist, leidet die Kommunikation.“ Aha – hier liegt also der Knackpunkt.

Scheinriese oder authentische Persönlichkeit?

Wir leben im Land der Scheinriesen, weil Menschen unter anderem auch in sozialen Netzen häufig größer wirken wollen, als sie in der Nähe sind. Aus der Ferne – den digitalen Welten – grüßt Herr Tur Tur. Doch im wirklichen Leben haben Scheinriesen Angst vor Nähe und realen Begegnungen.

Wenn Sie mal Lust und Zeit haben, gönnen Sie sich das Vergnügen und schauen sich die kurze Sequenz aus „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ an: https://www.youtube.com/watch?v=vXOh_b8nago.

Eine ganz besondere Qualität bekommt der Film „Avatar – Aufbruch nach Pandora“, wenn Sie einzelne Dialoge unter dem Gesichtspunkt der Persönlichkeits- und Charakterentwicklung betrachten.

Moderne Varianten von Herrn Tur Tur sind aus meiner Sicht nämlich Avatare, künstliche Personen oder Grafikfiguren, die einem Internetbenutzer in der virtuellen Welt zugeordnet werden.

Keine Angst vor Defiziten

Sie entscheiden selbst, ob Sie Ihre Stärken betonen und mit Ressourcen glänzen oder im Entwicklungsprozess Ihres Selbstmarketing-Avatars stehen bleiben wollen. Suchen Sie Antworten für folgende Fragen:

Wie will ich aus der Ferne gesehen werden?

Wie kann ich sicher sein, dass meine Sicht der Wirklichkeit mit der Sichtweise meiner Mitarbeiter übereinstimmt?

Habe ich den Mut, meine Mitarbeiter um ein ehrliches Feedback zu bitten?

Mut zur Realität

Michael Ende rührt mit der Figur des Herrn Tur Tur auch an unseren Umgang mit vielen unserer Probleme: Sie sehen aus der Ferne riesig aus und erschrecken uns mit ihrer Fremdheit und Bedrohlichkeit. Warum wirken sie so bedrohlich? Weil wir sie noch nicht kennen, weil wir uns selbst nicht gut kennen und meinen, noch nicht erfahren zu haben, dass wir durchaus in der Lage sind, uns einer Herausforderung zu stellen. Wenn man Ihr Scheinriesen-Bild reduziert: Welches Originalformat, welche Qualität, welche Größe bleibt dann noch übrig?

Mein Tipp:

Nähern Sie sich Riesen mit Respekt, aber schauen Sie ihnen keck in die Augen. Prüfen Sie immer zuerst, mit wem Sie es zu tun haben, bevor Sie der Angst Raum geben.

Das Sich-Annähern-Wollen an den Riesen, dieses Sich-Trauen werden häufig zur Motivation, mit einem Coach ein Ziel festzulegen und gemeinsame Schritte gegen die Angst zu gehen.

Keine Angst vor Schrumpfung

Erstaunlicherweise ist der Umgang mit Riesen gar nicht so schwierig. Viel schwieriger ist es oft, das eigene Selbstbild zu korrigieren, wenn das Feedback von lieben Menschen zeigt, dass Sie zu oft über die Stränge schlagen und ein Schrumpfungsprozess angemessen wäre. Das ist starker Tobak, oder nicht?

Fangen Sie am besten heute an, Ihr Selbstbild wahr zu nehmen und üben sich in der Kunst, ein angenehmer Zeitgenosse zu sein. Praktisch sieht das so aus:

  • Häufiger anderen zuhören, als selbst zu reden.
  • Gefühle respektieren.
  • Lieber Fragen stellen, als Argumente ins Feld führen
  • Von anderen lernen, als sie zu belehren.
  • Besser die Erfolge der Gesprächspartner thematisieren als ihre Niederlagen.
  • Kleine Gesten des Entgegenkommens ins alltägliche Gespräch einbringen.
  • Selbstlos versuchen, anderen zu dienen. Ein Mensch, der sich in die Lage anderer versetzen kann und Verständnis für sie aufbringt, braucht um seine Zukunft nicht zu bangen.
  • Lieber anhalten und freundlich lächeln, als gehetzt durchs Leben zu rennen.

Ich werde in diesem Sommer wieder auf den Weltmeeren unterwegs sein und dem ein oder anderen Riesen begegnen. Mein Rezept: Ich lächle und bin am Ende meiner Ferien Lächel-Millionärin.